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Die Lehren der alten californios
Hier ein paar mehr Gedanken zur Suche nach guter "Horsemanship" .... dabei Hunderte oder Tausende von Meilen vom El Dorado der Californios entfernt und Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, zu spät ....
Die altkalifornische Reitweise sowie die Ausbildungsweise der Buckaroos (als Erben der Altkalifornier) können, falls richtig angewendet, dem arbeitenden Pferd helfen, sein Bestes zu geben. Die Ingredenzien sind viel Zeit (es dauert wenigstens 5 Jahre für gestandene Ausbilder, ein Pferd traditionell bis zur Bridle auszubilden ... länger für Lernende), "many wet blankets", viel Verständnis für die Eigenheiten des Pferdes und seine natürlichen Instinkte, die bestimmen, wie es am besten lernen kann, und eine Ausrüstung, deren Wirkungsweise den Lernprozess erleichtern, wenn sie denn richtig eingesetzt wird. Nichts Neues für die meisten hier im Forum ....
Doch was tut der Lernwillige, wenn man sich nicht im Ursprungsland dieser feinen Reitweise befindet oder das Glück hat, mit nach alter Art ausgebildete Hirten in den katalanischen Bergen, in der Carmargue usw. zu reiten? Zum Beispiel in Südkalifornien, dem Land, in dem spanische Dons sowie mexikanische und indianische Vaqueros im Dienst ihrer Missions- und später Feudalherren einen sehr erfolgreichen und eleganten Stil der Ausbildung von Hirtenpferden/Cow horses entwickelten, findet man kaum noch diesen alten Stil der Ausbildung. Noch um 1950 ritten fast alle in der Gegend um Santa Barbara ihre ausgebildeten Pferde im Spade-Bit ... heute reiten die meisten (Neu-)Kalifornier English oder texanisch-western, wenn sie sich denn überhaupt für Pferde interessieren. Überreste des alten Kalifornien sind nur noch schwer zu finden. Ich erhielt einen kleinen Eindruck von dem, was mal war, als ich 10 Tage auf Aliso Ranch in der Nähe von Santa Paula verbrachte und dort mit Pat Puckett ritt. Obwohl ich das Meer liebe, habe ich mich nur einmal an den Strand verirrt, weil der Verkehr nach Ventura einfach zu viel war. CA muss einmal ein Paradies gewesen sein .... bevor sich Mio. von Menschen entschieden, dort leben zu müssen.
Und wie die meisten hier im Forum wohl wissen, waren die alten Vaqueros alles andere als zart besaitet. Das Pferd wurde für die Arbeit an der Herde ausgebildet und da es Pferde im Überfluss gab, galt das Individuum nicht viel (dies galt für Mensch und Tier). Viele alte Vaqueros bedienten sich Methoden, die wir heute ablehnen würden ... selbst Bill Dorrance, der mit den alten rauen Methoden aufwuchs, meinte, dass sein Bruder Tom ihm erst beibringen musste, dass man viel mehr vom Pferd erwarten kann, wenn man die Ausbildung pferdefreundlicher gestaltet. Ich denke mal, dass Tom Dorrance einer der Urväter der "Natural Horsemanship" made in USA war, die später von geschäftstüchtigeren Schülern weltweit salonfähig gemacht wurde.
Obwohl Neumexiko eher vom texanischen Westernreitstil beeinflusst ist, der sich mehr an Angloeinflüsse der 2. Hälfte des 19. Jahrh. anlehnt, findet man auch hier Ausbilder und Reiter, die sich über den Californio-, Buckaroo- und Vaquerostil an der klassischen Reitweise sowie "Natural Horsemanship"-Einflüssen (der Begriff wurde von Parelli geprägt, der dazu tendiert, die effektive Kommunikation mit dem Pferd mehr oder weniger als seine ureigene Idee auszugeben - so wie auch Monty Roberts) orientieren. Der von Siegfried in seinem Reisebericht erwähnte Ausbilder Randall Davis ist ein Trainer/Ausbilder, die über jahrelange Arbeit mit Hunderten von Pferden zur Einsicht gelangten, dass es einen besseren Weg für den Umgang mit Pferden gibt. Diese Erkenntnis und viel Glück halfen ihm (sowie eher bekannten Leuten wie Buck Brannaman oder Parelli), Ausbilder wie Ray Hunt und Tom Dorrance um ihren Rat zu bitten, mit ihnen zu reiten und von ihnen zu lernen. Das war Jahre, bevor der Stil der alten Californios hier in den USA eine Renaissance erfuhr und die Pferdewelt von Vertretern der "Natural Horsemanship", besonderen "Touches" und "Join up" in Staunen versetzt wurde. Randall Davis und Pat Parelli ritten gemeinsam in den Clinics von Ray Hunt, die in den East Mountrains von Albuquerque und anderswo veranstaltet wurden ... Pat ging des Weg des weltbekannten "Natural Horsemanship"-Experten - ein 4-wöchiger Kurs kostet heute ca. $10.000 (ohne Kost und Logis) und man hat Glück, wenn man den Meister in Person zu sehen bekommt) - mit einer Superanlage in Pagosa Springs, CO, während sich Randall für die Arbeit unter mit Ray Hunt und Tom Dorrance in CA und Nevada sowie die spätere Übernahme der alten Familienranch in der Checkerboard-Gegend östlich des Navajoreservats im Westen von Neumexiko (der Name Longview sag alles - man kann heute sehen, wer morgen zum Kaffee kommt:) entschied, wo er heute Quarter Horses und Corrientes-Rinder züchtet, mit seiner Familie in einem einfachen Wohncontainer lebt und Interessierte mit seinen lebenslangen Erkenntnissen über das Pferd und seine Ausbildung zum zuverlässigen Arbeitspartner vertraut macht - für viel weniger Geld übrigens :)
Es gibt nicht viele Ausbilder, die über die Begabung verfügen, Pferd und Reiter richtig einzuschätzen, um zu entscheiden, was sie wirklich für einen harmonischeren Ritt brauchen. Hier scheiden sich oft die Geister - einige Ausbilder behaupten, dass "ihre Methode" bahnbrechend sei und jedem Pferd und Reiter zum Erfolg verhelfen (siehe Parelli, Roberts, Clint Anderson, Dennis Reiss u.v.m.) Sie schreiben Bücher, verkaufen DVDs, entwickeln Lehrgangsprogramme, die alles über einen Kamm scheren, ohne darauf einzugehen, was ein bestimmtes Pferd zu einem bestimmten Zeitpunkt braucht. Das Ergebnis sind z. B. Reiter, die sich kaum noch auf ihr Pferd wagen, ohne ihr Pferd endlos mit dem Karottenstöckchen (das in Trainingspaketen angepriesen wird und von dem behauptet wird, dass man ohne dieses Hilfsmittel einfach nicht auskommen kann) am Boden zu traktieren und auf den großen Moment vorzubereiten, der leider nie eintritt. Dabei spulen gelangweilte Pferde und gestresste Reiter/Besitzer ihr Programm ab und viele Chancen zum Erlangen des ersehnten harmonischen Ritts werden vertan. Es ist schwierig, gute Pferdeleute zu ausfindig zu machen, von denen man was lernen kann. Ich bin mit Ausbildern in Kalifornien geritten, wie z.B. Pat Puckett oder Bruce Sandifer, die nicht unbedingt die großen Namen aber viel Wissen bieten, wenn es um die alte Kunst der Californios geht. Allerdings ist auch für mich die Reise nach CA eine 1000 Meilen-Reise, die ich meinen Pferden nicht zumuten will und mir auf die Dauer zu teuer wird. Jetzt habe ich ein paar Leute hier in Neumexiko gefunden, die mir auf meinem Weg weiterhelfen können. Einfach war es nicht und es hat ein Weilchen gedauert ...
Eins habe ich festgestellt. Die meisten Reiter, die die alte Californio-Tradition verfolgen, basieren ihre Ausbildung auf alte klassische, zumeist iberische Traditionen. Pat Puckett verehrt z.B. den portugiesischen Meister Nuno Oliveira und seine Lehren und Schriften. Ausbilder wie Mike Bridges studieren u.a. Bauchers Methoden und arbeiten mit Ausbildern, die diese Methoden weiterentwickelt und angepasst haben (Racinet), um Anregungen zur Verbesserung ihrer Pferde zu finden.
In D gibt es m. E. genug Leute, die klassische Methoden vermitteln .... selbst unter den viel geschmähten English-Reitern/Ausbildern. Eine Freundin von mir in Norddeutschland ist eine Bereiterin FN und legt großen Wert auf die feinen klassischen Reitweisen (ohne Hilfszügel) mit leichter Reiterhand, gut arbeitender Hinterhand, schwingendem Rücken und einem aus physiologischer Sicht optimal gestelltem und gebogenem Pferd mit dem Ziel, die Versammlung zu fördern - alles Dinge, die jeder Gebrauchsreiter verstehen und anwenden können sollte. Sie benutzt weder Bosal noch Wade Tree-Sattel und hat trotzdem zufriedenem, sehr rittige und solide ausgebildete Pferde. Mein Punkt: Die Ausrüstung/Stilrichtung macht es nicht, sondern das Verständniss für die anatomischen und psychischen Bedürfnisse und Eigenheiten des Pferdes. Ein schlecht im Bosal gerittenes Pferd wird genau verdorben wie ein schlecht mit der Trense usw. gerittenes Pferd. Die wirklichen Meister unter den Buckaroos und Californios schauen sich ein Pferd genau an und entscheiden sich dann für eine Vorgehensweise, die weg von der Hand (also keine Hilfszügel etc.), ein flexibles Genick sowie Aktivierung der Hinterhand, Rippenbiegung usw. fördert. Sie studieren auch andere Reitweisen und haben viel Achtung vor Reitern, die ihre Pferde gut reiten, egal welches Lederzeug diese Pferde tragen und welche Lehre diese Reiter durchlaufen haben.
Ich denke, dass es von größter Wichtigkeit ist, instinktives Verhalten, Anatomie und Biomechanik des Pferdes zu verstehen, um zu begreifen, was Begriffe wie Biegung, Stellung, Losgelassenheit, Versammlung etc. bedeuten (wobei andere Begriffe benutzt werden können, um die gleichen Konzepte zu verdeutlichen und zu erklären) sowie wie ein Pferd aussieht und sich anfühlt, das zufrieden, losgelassen und engagiert unter dem Reiter arbeitet. Ich habe Penquitts Buch gelesen und denke mal, dass seine Ausführungen hilfreich sein können. Kreinberg kenne ich nicht, obwohl mir Siegfried mal eine Leseprobe hat zukommen lassen. Die akribische Beschreibung der Hilfengebung/Cues ist vom theoretischen Standpunkt aus interessant und mag manchem Lernenden helfen, war mir jedoch zu mechanisch und lenkte zu sehr vom "Feel" ab. Ich mag u.a. Curt Pates Buch "Ranch Horsemanship" (Traditional Cowboy Methods for the Recreational Rider). Es ist ein gutes Buch zum Thema Gebrauchsreiterei. Auch Bobby Ingersolls neues Buch mit schönen Fotos von Stöcklein hat ein paar interessante Einsichten zu vermitteln.
Falls man in D keinen Ausbilder in der Nähe findet, der die altkalifornische Reitweise gut vermitteln kann, kann man damit beginnen, in seiner Gegend einen Lehrer zu finden, der klassische und pferdegerechte Prinzipien versteht und vermitteln kann. So lernt man zu finden, wonach man rein gefühlsmäßig sucht - die Pferde werden es einem danken und der Weg wird zum eigentlichen Ziel.
Sabine
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